Elisabeth Herrmann – Schattengrund (Buchrezension)
Packend, eloquent, fesselnd bis zur letzten Seite. So rauschte Elisabeth Herrmanns Jugendthriller »Schattengrund« mit einem Hauch von Krabatfeeling – nur ohne Mühle und mit harter Realität – in meine Büchernische ein. Gesponsort vom cbt Jugendbuch Verlag, ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle, durfte ich im Rahmen einer Leserunde bei lovelybooks.de in die verschneiten Tiefen eines kleinen Dorfes und seinen Intrigen und Geheimnissen der Vergangenheit eintauchen, auf den Spuren einer unbequemen Wahrheit…
Worum geht es?
Nico ist fast volljährig, als sie erfährt, dass sie ein Haus erben soll. Es ist nicht irgendein Haus, es ist Schattengrund inmitten des Harz, charmantes Fachwerkhaus inmitten eines kleinen bäuerlichen Dorfes voller Tradition. Sehr ungewöhnlich sind die Gegenstände, welche Kiana, Nicos Großtante ihr als Erbschaft mit der Bitte überreichen lässt, ein Rätsel aus der Vergangenheit zu lösen. Ihre Eltern sind besorgt und ganz und gar nicht damit einverstanden, das ihre Tochter dieses seltsame Erbe antreten soll, doch Nico sträubt sich und begibt sich auf die Suche nach der Vergangenheit, die nicht nur ihre eigene ist. Was passierte vor 12 Jahren in Schattengrund?
Ein toller Thriller für kalte Tage
Elisabeth Herrmann war mir vor diesem Thriller kein Begriff. Als das Buch hier in meinen Händen lag, war ich vom Cover sehr begeistert. Eine rote Schaukel sticht aus dem sonst schwarz-weißen Hintergrund hervor, ein wenig mystisch wirkt das Häuschen in der Ferne, rechts der Wald, eine Krähe fliegt durch die Szene. Das Krähenmotiv findet sich auch auf dem schwarzen Buchrücken wieder und erinnert mich ein wenig an den Koselbruch, die alte Mühle aus »Krabat«, eines meiner Lieblingsbücher. Im Gegensatz zu eben genanntem Buch ist »Schattengrund« ein packender Thriller, mit mit Zauberei und Magie nicht viel am Hut hat. Das Cover, betitelt in einem farblich und stilistisch passenden Font, ist definitiv ein Eyecatcher und ich wäre im Buchgeschäft nicht ohne das Buch in die Hand zu nehmen vorbei gegangen!
Es wirkt dem ersten Anschein nach ein wenig, als ob da etwas nicht mit rechten Dingen zu gehen kann. Tote Vögel fallen vom Himmel, alle zwölf Jahre geschieht etwas. Als die Protagonistin Schattengrund, das verlassene Haus ihrer verstorbenen Großtante Kiana, das erste Mal betritt, bekommt sie gleich den Windhauch der Vergangenheit zu spüren. Doch nicht nur hier, auch im Ort schlägt ihr soviel Hass und Ablehnung gegenüber, dass sie sich fragt, was vor all den Jahren passiert ist. Warum kann sie sich nicht erinnern?
Die Autorin schafft es mit unglaublicher Eloquenz, blumigen und durchweg fließenden Worten das Lesevergnügen in begeisterungsfähige Höhen zu treiben. Der jugendlich angehauchte Ausdruck in Dialog und Monolog wirkt ganz und gar nicht aufgesetzt; nein, man merkt, dass sich die Autorin den heutigen Sprachgepflogenheiten der Jugend 2012 anzupassen vermag – übrigens indem sie ihre Tochter zu Rate zog – und dies in den Text einbindet, ohne dass es gezwungen wirkt. Es verleiht dem Jugendthriller seinen besonderen Charm, zieht aber dennoch auch Erwachsene in seinen Bann; so geschehen in den letzten 5 Tagen, die ich benötigt habe um das Buch, fesselnd wie es war, durchzulesen. Der Spannungsbogen brach zu keinem Zeitpunkt ein, durchgehend packend und pausenlos spannend zog sich der rote Faden durch den Plot.
Das Schlimme am Lügen ist, dass mam so verdammt wenig Vorteile dadurch hat und die meiste Zeit damit beschäftigt ist zu verhindern, dass man auffliegt. – Seite 90
Sehr überzeugend stellt Elisabeth Herrmann eine junge Frau dar, zerrissen zwischen der Sorge ihrer Eltern ihr gegenüber und Angst vor der Erinnerung, was geschehen ist. Visionen verfolgen das Mädchen, Unwissenheit frisst sich durch ihre Seele, nagt unbändig an ihrem Gewissen. Selten habe ich ein Jugendbuch gelesen, in dem es der Autorin gelang, so farbig einen ruhelosen jungen Menschen darzustellen. Gefühle wirken authentisch, die Handlung ist nachvollziehbar und altersgerecht verpackt. Es geht nicht übertrieben blutig zu, was ich auch von einem Buch ab 14 Jahren erwarte, dennoch schafft Frau Herrmann auch mich als Erwachsenen zu begeistern.
Langsam drückte sie die verrostete Klinke hinunter. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Knarren, das in ein Seufzen überging: der Willkommensgruß von altem Holz. – Seite 54
Ich habe es genossen, selbst ein Kind der Berge, durch verschneite Landschaften zu stapfen, Schnee fällt wie glitzernde Kristalle auf dunkle Nadelbäume, Silhouetten zeichnen sich scharf vor einer weißen und düster wirkenden Kulisse ab. Ich konnte das Holz förmlich riechen, das Kaminfeuer knistern hören, den Duft des Waldes einatmen und die Geräusche der Schritte unter Nicos Füßen vernehmen, während ich mich mit der Protagonistin auf die Suche nach des Rätsels Lösung begab. Die Autorin wusste geschickt in die Irre zu führen, schafft es bis zum Schluss, die Spannung zu halten und führt uns im Laufe des Buches in die Düsternis und Schwärze der Seele, mitten in das Böse eines Menschen. Ich möchte nicht zuviel zur eigentlichen Thematik des Buches berichten, das würde zuviel spoilern. Allerdings kann ich anmerken, dass es sich um ein immer aktuelles, grausames Thema handelt, dessen Wahrheit unbedingt ans Licht gebracht werden muss. Dies ist auch die Message von »Schattengrund«:
Verstecke dich nicht vor deiner Vergangenheit, suche nach dem Vergessenen und bringe ans Licht, was niemand wahrhaben möchte. Die Wahrheit siegt immer!
Der Abschluss, die Auflösung des Plots ist sehr gelungen, stellenweise konnte ich das Verhalten Nicos nicht immer nachempfinden, da sie zeitweise doch recht naiv wirkte. Man muss dazu aber sagen, dass sie oft auch einfach keine Wahl hatte, sich nicht zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden durfte, sondern nur einem Weg folgen konnte, da sie sonst nur unnötig in Gefahr geraten wäre. Schön fand ich die zarte Liebesgeschichte, die in die Handlung mit einfloss und dem Ganzen noch ein wenig Leichtigkeit und positives Gefühl einflößte.
Seine Stimme, warum und leise. Es war, als ob Glasperlen über ihren Rücken rieseln würden. – Seite 117
Die Atmosphäre, welche der Thriller transportiert, bewirkte ein wahres Feuerwerk an Bildern im Kopf, da ich selbst in den Bergen aufgewachsen bin und mich mit dem Hauch Legende und Sage, die in die Geschichte eingewebt war, gut identifizieren konnte. Der Teil Deutschlands, in dem das Buch spielt, ist eng mit Märchen und Sagen sowie dem Glauben rund um den Bergbau verbunden. Die Autorin hat dies für meinen Begriff sehr intensiv umschrieben und konnte selbst mich, die mit den Bräuchen gerade der katholischen Kirche aus Gründen der Religionszugehörigkeit absolut nichts anfangen kann, beeindrucken. Man erfährt viele Hintergrundinformationen rund um Schürfen von Silbererz, Brauchtum und Sitten die tief im Denken der dort lebenden Menschen verwurzelt sind und erhält einen Einblick in regionale Gepflogenheiten. Gleichzeitig übt die Autorin aber auch Kritik an festsitzenden und oberflächlichen Vorurteilen.
Elisabeth Herrmann | Schattengrund
cbt Verlag | 12. November 2012 | 14 Jahren
Klappenbroschur, 416 Seiten | 9783570161265 | 14,99€
zum Buch beim Verlag
Mein Fazit: Ein sehr gelungenes zweites Jugendbuch aus der Feder Elisabeth Herrmanns, welche bereits einen jugendlichen Thriller verfasst hatte. Spannende Unterhaltung für kalte Winterabende, am besten mit einem Tee und gedimmtem Licht, nicht nur für Jugendliche ein tolles Leseerlebnis! Mehr davon!
Meine Wertung: