Buchtipp Juli 2015 - Katrin Zipse – Die Quersumme von Liebe (Buchrezension)

buchcover queersumme von liebe

Einen schönen Wochenstart liebe Leser!

Etwas mehr als zwei Wochen sind vergangen, seit ich die letzte Seite von Katrin Zipses zweites Jugendbuch »Die Quersumme von Liebe«, das Mitte Juli im Magellan Verlag erschienen ist, umgeblättert habe. Genauso lange brauchte ich auch, um die Geschichte um Luzie und Puma zu verdauen, denn sie hat mich tief berührt. Gleichzeitig hat mich dieser Jugendroman aus meiner Leseflaute geholt, die mich Anfang Juli hinterrücks überrollt hat. Warum das Buch mich so beeindruckt hat, werde ich euch nun in meiner Rezension berichten, an der ich nun ein ganzes Wochenende geschrieben habe. Kein leichtes Unterfangen, dieses Buch in Worte zu fassen.

Wenn die Vergangenheit dich einholt…

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Luzie ist ein junges, sensibles Mädchen, das schon einiges in ihrem Leben durchgemacht hat. Um mit allem fertig zu werden, hat sie ein ganz eigenes Konzept kreiert: Sie errechnet anhand der Quersumme von Daten, Uhrzeiten oder sonstigen Gegebenheiten aus, ob die Dinge positiv oder negativ für sie ausgehen könnten. Doch als Luzie eines Tages in der Mülltonne einen Brief ihrer verstorbenen Großmutter findet, gerät nicht nur ihr sorgfältig durchdachtes Zählsystem mit Hilfe von Quersummen völlig durcheinander. Ihr ganzes Leben steht plötzlich Kopf, wie ein Kartenhaus fällt alles auseinander. Einzig Puma gibt ihr einen gewissen Halt, Geborgenheit und Momente des Vertrauens. Doch um wieder mit sich selbst ins Reine zu kommen, muss Luzie das über Jahre gestrickte Lügengeflecht Stück für Stück entwirren und herausfinden, was damals geschah…

Katrin Zipse – der Name ist mir ein Begriff, seit sie im letzten Jahr ihr Debüt »Glücksdrachenzeit« im Magellan Verlag veröffentlichte. Obwohl ich ihr erstes Buch noch nicht gelesen habe, war ich unbändig neugierig auf ihr neues Werk, das mit einem zart pastellfarbenen Cover in der Verlagsvorschau meine Aufmerksamkeit erregte. Der Verlag hatte mir den Roman vor einem Monat überraschend zugesandt – herzlichen Dank noch einmal an dieser Stelle – und so beschloss ich schon wenig später, dass »Die Quersumme von Liebe« mein nächstes Buch sein sollte. Nach zwei spannungsgeladenen Büchern musste ein etwas ruhigerer Stoff her. Ein Blick auf Klappentext und Leseprobe deutete eine tiefgründige, emotionale Story an, also genau das Richtige. Ich konnte nicht widerstehen und zog mich in meine Leseecke zurück.

Stimmiges Gesamtbild

 

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Wenn ich ein neues Buch beginne, spielt sich stets das gleiche Ritual ab. Folie entfernen, Buchduft einatmen, Schutzumschlag vom Buch lösen und an einem sicheren Platz aufbewahren. Als ich letzteren schließlich entfernte, war ich absolut begeistert und positiv überrascht, wie wunderschön das Buch auch unter seiner schützenden Hülle designed wurde. Sowohl auf dem Vorsatzpapier als auch auf dem Buchdeckel selbst ist das zartgrüne Muster zu erkennen, welches auch auf dem Cover zu sehen ist. Ton in Ton, sanfte Grüntöne und helles Beige – hier passt alles zusammen. Vom Inhalt verrät das Cover abgesehen vom Titel absolut nichts. Wer die Geschichte kennt, wird bei genauerem Hinsehen das eine oder andere Coverelement wiedererkennen. Man merkt deutlich, wie viel Mühe sich mit der Gestaltung gemacht wurde. Kompliment! Der erste visuelle Eindruck spielt durchaus eine Rolle für die Gesamtbewertung, denn mein Auge liest schließlich mit.

…findet sich auch unter dem Schutzumschlag – sehr gelungen!

Zipses Jugendroman hat nachhaltig Eindruck bei mir hinterlassen. Noch Tage später dachte ich über die Geschichte und die beiden Protagonisten nach, musste die Story regelrecht verdauen. »Die Quersumme von Liebe« ist aus meiner Sicht ein ungewöhnliches und sehr bewegendes Jugendbuch, ein ganz besonderer Buchschatz. Ich brauchte ein paar Seiten, bis ich mich an die Schreibe gewöhnt hatte. Wieder einmal hatte ich ein Buch aufgeschlagen, das mit der Ich-Perspektive arbeitete. Obwohl ich mit dieser Erzählsicht meistens so meine Probleme habe, muss ich in diesem Fall ehrlich gestehen, dass dies die perfekte Wahl war. Die Geschichte hätte aus der auktorialen Perspektive höchstwahrscheinlich nicht so intensiv funktioniert. Katrin Zipse nahm mich an die Hand und führte mich immer tiefer in Luzies Vergangenheit und ihre konfuse Gefühlswelt.

Ein Herzensbuch, das nachhallt

Mit jeder Seite eroberte die Protagonistin mein Herz ein Stückchen mehr. Ich fühlte mich gerade mit Luzie schon nach wenigen Seiten tief verbunden, konnte mich sehr gut in ihre Situation hineinversetzen und musste so manches Mal erst einmal durchatmen, bevor ich weiter las. Zipse zeichnete eine sensible, tapfere Protagonistin, die in ihrem jungen Leben bereits einiges durchgemacht hat. Luzie ist mir unheimlich ans Herz gewachsen, sie hat eine natürliche, größtenteils liebenswerte Art an sich – wenngleich ich stellenweise zunächst nicht ganz nachvollziehen konnte, warum sie auf ihren kleinen Bruder des Öfteren ungerechtfertigt harsch und distanziert reagierte. Doch auch das hat seine Gründe, wenn man im Nachhinein darüber nachdenkt.

Selbst jetzt, während ich versuche zu verstehen, was passiert ist, wie eins zum anderen kam, ringe ich noch nach Worten, taste mich voran und werde doch nie richtig beschreiben können, wie es sich anfühlt, wenn man zu einem Wesen geworden ist, das endgültig untergegangen ist, das keine Vergangenheit mehr hat, keine Gegenwart und keine Zukunft. Wenn man komplett ausgelöscht ist. weil man nicht mehr weiß, wer man ist. – Seite 85

Die Story handelt einen Zeitraum von etwa drei Wochen ab, wobei die Perspektive zwischen Luzie und Puma – jeweils in der Ich-Perspektive geschrieben – kapitelweise hin- und herwechselt. Perspektivenwechsel und Zeitwechsel in Kombination bergen immer ein gewisses Risiko, den Lesefluss zu unterbrechen. Doch die Autorin bewies ein sicheres Gespür für Textstruktur und Wortwahl, so dass meine anfänglichen Sorgen, die permanenten Handlungssprünge könnten für Verwirrung sorgen, schlussendlich nicht bestätigt wurden – ganz im Gegenteil. Zipses Sprache entwickelt eine unwiderstehliche Kraft, die mich immer tiefer in Luzies mit Geheimnissen durchtränkte Welt zog.

Junge Liebe zwischen den Zeilen

Auch die zart knospende Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptfiguren drängt sich niemals in den Vordergrund; an dieser Stelle ist der Titel des Buches leider ziemlich irreführend. Vielmehr bettete Katrin Zipse Luzies Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe unglaublich einfühlsam zwischen die Zeilen, gleich einer kleinen Insel des Glücks inmitten ihrer unaufhörlichen Suche nach Wahrheit und dem innigen Wunsch, die Geschehnisse in ihrer Vergangenheit zu verstehen und zu verarbeiten. Mit jeder Seite wuchs in mir der Wunsch, das Mädchen einfach mal in den Arm zu nehmen.

Die Vorstellung war so absurd. Dass es Geschichten geben könnte im Leben, die für Kinder nicht geeignet waren. Als ob sich das Schicksal darum kümmern würde, wann es zuschlug! Du bist erst zehn? Dann darfst du noch nicht sterben. Sterben ist erst ab achtzehn freigegeben. Verlust, Krankheit, Missbrauch? Die Altersgrenze liegt bei sechzehn, mindestens. – Seite 253

Einige der Zwischenblenden, mit welchen man auf den ersten Seiten des Jugendbuches noch nichts Rechtes anzufangen weiß, entpuppen sich später als Gedankenfetzen, Erinnerungen und Beobachtungen einer dritten Person aus Luzies Vergangenheit. Jahrelang lagen diese tief im Unterbewusstsein der Protagonistin verwurzelt im Verborgenen und gelangen nun erst ganz allmählich wie Luftblasen an die Oberfläche, um dort zu zerplatzen und die Wahrheit im Inneren endlich freizugeben. Die einzelnen Kapitel fügen sich wie bei einem Puzzle ganz langsam, Stück für Stück zusammen, während das Lügengebäude, welches um Luzie aufgebaut wurde, allmählich in sich zusammenfällt. Ich möchte an dieser Stelle nicht zuviel verraten, doch eines sei gesagt: Ich war ob der Auflösung wirklich erschrocken und muss gestehen, dass mich zudem so manche Reaktion und Aktion in Luzies Umfeld wütend im Lesesessel zurückließ. Nachdem ich das Buch beendet hatte, blätterte ich noch einmal zu der einen oder anderen Textpassage zurück und begriff nun erst in vollem Ausmaß, was mir die Autorin vermitteln wollte. Schlussendlich las ich das Buch fast in einem Stück durch und merkte erst auf der letzten Seite, dass ich mir dieses Mal gar keine Textstellenmarker gesetzt hatte, so sehr hatte mich die Geschichte gefesselt. Ein gutes Zeichen.

Katrin Zipse | Die Quersumme von Liebe
Magellan Verlag | 17. Juli 2015 | ab 15 Jahren
Hardcover, 288 Seiten | 978-3734850110 | 16,95€
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Mein Fazit: »Die Quersumme von Liebe« ist ein wahrlich beeindruckendes, aber auch schockierendes Jugendbuch, das mehr als nur einmal für Gänsehaut und die eine oder anderen Träne im Augenwinkel sorgte. Katrin Zipse weiß äußerst geschickt mit Worten umzugehen; sie streichelte mich regelrecht mit ihrer zauberhaften Art zu formulieren und sorgt dafür, dass ich die letzte Seite trotz seines schockierenden Endes schließlich mit einem guten Gefühl umblätterte. Der Titel ist ein wenig unglücklich gewählt, denn wer nun eine sommerliche Teenager-Lovestory erwartet, wird enttäuscht sein. Im Vordergrund steht ganz eindeutig Luzies verzweifelter Suche nach Wahrheit und Sicherheit – eine lange, nicht immer einfache Reise durch den zunächst fast undurchdringlich scheinenden Geheimnisdschungel ihrer Vergangenheit. Eine Reise, die mich auch Tage später noch emotional sehr beschäftigt hat. Dieses Jugendbuch ist ein Werk, das Spuren im Herzen hinterlassen hat und nun erwartungsvolle Vorfreude auf neue Bücher aus der Feder der Autorin schürt. Glücksdrachenzeit, ich komme!

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